Erwachsen - und doch gefangen im Kindverhalten
Kapitel: 5
Erwachsen - und doch gefangen im Kindverhalten
Die Urverletzung und ihre Folgen
von Sylvia Reifegerste
Kapitel 5:
Unsere Gefühle: Auf Tuchfühlung gehen
Liebe Leserin, lieber Leser.
Gefühle sind häufig unsere stärksten Gegner im Alltag, denn sie sind oft mit Ängsten für uns verbunden. Viele bekämpfen, unterdrücken, vermeiden, beschönigen, dramatisieren oder zerreden daher ihre Gefühle. Das Fühlen ist jedoch wichtig und JEDES Gefühl gehört genauso, wie das Ein- und Ausatmen, zu uns.
Wenn wir nicht lernen mit unseren Gefühlen klar zukommen, haben wir so gut wie keine Chance, ein buntes und erfülltes Leben zu führen!
Dabei sind Emotionen wie z.B. Wut, Groll, Ärger, Hass, Eifersucht bei vielen Menschen unbeliebt und gerade in den "spirituellen Kreisen" häufig unerwünscht. Aus Angst sich zu outen, dass Gesicht zu verlieren, verletzt zu werden, den anderen zu verlieren, oder nicht negativ zu wirken, werden die negativen Emotionen häufig zurückgehalten und nicht nach Außen gezeigt. Wir tragen lieber eine Maske und verstecken unsere wahren Gefühle dahinter. Nach außen hin lächeln wir, obwohl es vielleicht tief in uns drinnen brodelt. Dadurch kommt es zu energetischen Anstauungen und Blockaden, denn ein Großteil der negativen Energien wird im Körper festgehalten. Die Folge davon sind: körperliche Anspannungen, Verspannungen und Verkrampfungen.
Viele gehen davon aus, dass Gefühle und Emotionen identisch sind.
Gefühle sind nicht abhängig davon, wie wir sie wahrnehmen, sondern sie beschreiben nur das was sie sind. Das bedeutet: Liebe ist Liebe und Trauer ist Trauer, völlig unabhängig davon wie wir selber Liebe oder Trauer definieren oder empfinden. Erst die Bewertung unserer Empfindung macht ein Gefühl zu einer Emotion. Nicht alle Menschen empfinden Gefühle, wie Liebe, Trauer, Lust usw. gleich. Die Emotion hängt somit von dem subjektiven Empfinden, also von unserer Bewertung ab.
Erst durch unsere Empfindung machen wir ein Gefühl zu einer Emotion. Unsere Beurteilung entscheidet dabei, wie stark oder schwach wir die Emotion erleben und ob wir sie als angenehm oder unangenehm empfinden.
So wir wie wir denken, so empfinden wir auch. Emotionen sind somit eine Verdichtung von Gedanken, die sich im Astralkörper als Energie bemerkbar machen. Das Wort Emotion (lateinisch= e-movere) bedeutet: "sich nach außen bewegen" und beinhaltet immer Bewegung. Eine Emotion ist eine Energiewelle, die danach verlangt, auf etwas gerichtet zu werden. Geschieht das nicht, entsteht eine Spannung.
Jede Emotion will heraus und sich bewegen.
Wird sie festgehalten und nach Innen gerichtet, kommt es automatisch zu Anstauungen, die letztendlich zu Aggressionen führen. Sind wir erst einmal im Bereich der Aggressionen angekommen, haben wir nur noch wenig Einfluss, denn sie führen ihr Eigenleben und sie sind schwerer zu kontrollieren als die Emotionen. Anhand von Aggressionen oder aggressiven Verhaltensweisen ist zu erkennen, inwieweit jemand seine Emotionen lebt oder aber verdrängt.
Nicht gelebte Emotionen sind die Ursache von Aggressionen.
Wer sich vor Emotionen schützt, verletzt sich selber.
Wer Angst vor Verletzungen hat, wird vermutlich mit verschiedenen Emotionen Schwierigkeiten haben und sich davor lieber schützen. Der Schutz vor Emotionen ist jedoch eine Illusion. Nach dem kosmischen Gesetz der Anziehung, ziehen wir alles an, was wir ablehnen und wovor wir Angst haben. Also ziehen wir über unsere Ängste genau das an, wovor wir uns fürchten. Es kann sein, dass wir durch den Schutz konkrete Verletzungen im Außen vermeiden können. Allerdings ist auch dies nur ein Trugschluss, weil wir uns durch unser Verhalten selber verletzen. Durch unseren Schutz verraten wir uns selbst, denn wir zeigen nicht unser wahres ICH. Jedesmal wenn wir uns anders zeigen als wir sind, verraten wir unser wahres ICH. Dies führt zu einem inneren Schmerz, weil wir uns selber betrügen und uns indem wie wir wirklich sind, (indirekt) ablehnen.
Sind Sie mutig oder feige?
Menschen die ihre Gefühle zeigen, sind nicht nur mutig, sondern Sie sind auch wie ein offenes Buch. Sie haben nichts zu verbergen, stehen zu sich und zeigen ihre Persönlichkeit offen und pur. Sie machen sich dadurch aber auch angreifbarer als Menschen, die sich verstecken. Es gehört also Mut dazu, intensive Gefühle zuzulassen und vor allem sie auch offen zu zeigen. Wie sieht es mit Ihrem Mut diesbezüglich aus?
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Buch und Ihre Aufgabe besteht darin, von vielen Menschen gelesen zu werden.
Was meinen Sie würde wohl passieren, wenn wir aus einem informativen, spannenden, überaus interessantem Buch, wichtige Kapitel entfernen? Hätte es dann noch eine Chance gelesen oder zu einem Bestseller zu werden? Bestimmt nicht, denn die wichtigsten Passagen, die das Buch interessant und erst so richtig spannend machen, würden fehlen. Genauso verhält es sich, wenn wir Gefühle und Teile von uns verstecken, verdrängen oder unterdrücken. Wir werden zu Menschen ohne Ecken und Kanten, langweilig und grau, also ohne jeden Pepp und farblos.
Unsere Gefühle beeinflussen uns bei allem was wir tun. Sie haben einen riesigen Einfluss auf unsere Entscheidungen, Handlungen, Leistungen und auf unsere zwischenmenschlichen Kontakte sowie auf unser Beziehungsverhalten. Wenn wir unsere Gefühle zurückhalten, schneiden wir uns nicht nur von der Lebendigkeit ab, sondern wir nehmen uns in jedem Lebensbereich etwas sehr Wichtiges: Lebensqualität, Glück und Fülle. Außerdem berauben wir uns auch um viele unserer Fähigkeiten! Unser Leben verläuft wie ein Gericht, was vergessen wurde zu würzen. Alles schmeckt fade, einheitlich und öde.
Wer fühlt der lebt, denn Gefühle beeinflussen unsere Lebensqualität und unser Glücksempfinden. Wer in der Lage ist zu fühlen, hat direkten Zugang zu seinen Fähigkeiten.
Glückliche Menschen verfügen über einen Reichtum an Gefühlen und deren Ausdrucksmöglichkeiten. Dennoch stehen viele Menschen mit ihren Gefühlen auf Kriegsfuß und auch wenn Sie sich dadurch angreifbarer machen. Die größte Herausforderung für uns Menschen besteht daher im Zulassen der gesamten Gefühlspalette.
Vielleicht kommen Ihnen Bedenken, denn wer will schon gerne freiwillig Hass, Neid, Eifersucht oder gar Gefühle von Ablehnung oder Zurückweisung in sich spüren? Wir schützen uns vor unangenehmen und fremden Gefühlen, da wir sie immer mit schmerzlichen Ereignissen aus der frühsten Kindheit verbinden und es als Kind um ein tausendfaches stärker empfunden haben, als es jetzt der Fall wäre.
Wussten Sie, dass Sie selber Ihre Emotionen erschaffen? Unser Emotionssystem entwickelte sich in unserer frühsten Kindheit, also einer Zeit, in der unser Lebensraum noch sehr viel lebensbedrohlicher als heute aussah. Daher basieren fast alle negativen Gefühle auf der unbewussten - und falschen - Annahme, wir seien in Gefahr. Wenn wir unseren Instinkten nun bewusst aufzeigen, wie die Welt von heute wirklich ist, werden wir das Leben anders bewerten, als wenn wir bestimmte Situationen in der heutigen Welt durch die Augen eines Kleinkindes betrachten.
Grundsätzlich ist es so, dass wir mit allem was wir sehen, wahrnehmen, hören, riechen, schmecken ein entsprechendes Gefühl verbinden. Es gibt im Prinzip nur sehr wenige Dinge, die wir noch neutral empfinden können. Wie sieht es da bei Ihnen aus?
Prüfen Sie einmal, ob Sie mit den folgenden Begriffen ein positives, negatives oder eher ein neutrales Gefühl verbinden?
Mangel,
Gier,
Vater,
Mutter,
Hass ,
Misserfolg,
Blamage,
Ablehnung,
Gestank,
Schläge,
Sport,
Dick,
Schönheit,
Fülle,
Verurteilung,
Prüfung.
Dinge die wir kennen, verbinden wir mit einem ganz bestimmten Gefühl.
Ob dies negativ oder positiv ist und in welcher Stärke wir das Gefühl wahrnehmen, hängt von der Erinnerung ab, die wir mit dem jeweiligen Begriff verknüpfen. Die Dinge die uns noch unbekannt oder unvertraut sind, aktivieren keine positiven und meistens auch keine negativen Emotionen in uns. Da sie uns unvertraut sind, versucht unser Gehirn diese irgendwo anzusiedeln und einzuordnen. Das Gefühl was wir bei Dingen, die völlig neu sind empfinden, hängt auch davon ab, wie wir auf Unvertrautes und Neues reagieren. Bei dem einen kann das Neugierde wecken, bei dem anderen weckt es Angst vor dem Unbekannten und dann gibt es noch diejenigen die mit Desinteresse oder Gleichgültigkeit reagieren.
Wie reagieren Sie normalerweise auf Unbekanntes und Unvertrautes?
Positiv, neugierig, entdeckungsfreudig, abenteuerlustig oder mehr ängstlich, befürchtend, zögernd mit einem unguten Bauchgefühl?
Welche Gefühle wir zulassen können, ist ein Ergebnis unserer Erziehung, der erlernten Glaubensmuster und der daraus resultierenden Gedanken.
Durch unsere früheren Erfahrungen, ist kaum noch etwas neutral für uns, sodass wir glauben im Voraus bereits zu wissen, mit was wir es zu tun haben. Wir haben dadurch also unsere Objektivität verloren und reagieren nur noch subjektiv.
Das Interessante dabei ist, dass sich unser subjektives Gefühl oder die Angst vor negativen Gefühlen, in den meisten Fällen nur auf vergangene Situationen bezieht. Unser "Bauchgefühl" hat somit häufig gar nichts mit der aktuellen Situation zu tun und kann uns also gewaltig täuschen.
Beispiel:
Nehmen wir einmal an, ein Kind musste immer mit seinen Eltern sparzieren gehen, obwohl es lieber draußen mit seinen Freunden gespielt hätte. Dieses Ereignis ist mehrfach geschehen, sodass das Kind letztendlich zu dem negativen Ergebnis geführt hat:
"Sparzieren gehen ist eine Pflicht, die mich von meinen wahren Freuden abhält."
Als Erwachsener wird dieser Mensch vermutlich immer noch nicht gerne sparzieren gehen, weil er damit seine kindlichen Erinnerungen verbindet. Obwohl ihm als Erwachsener ein Sparziergang gefallen würde, steht das Ergebnis für ihn fest und bleibt negativ.
Jeder von uns folgt solchen negativen Prägungen. Sie wären überrascht, wenn Sie wüssten, wie viele negative Erinnerungen uns prägen und unser Leben bestimmen.
Es erstaunt Sie sicherlich nicht, wenn ich Ihnen sage, dass Sie ein und dieselbe Situation völlig unterschiedlich empfinden würden, wenn Sie sie aus einer kindlichen oder aus einer erwachsenen Sicht heraus betrachten. Ein Kind fühlt sich schnell in seiner Existenz bedroht und empfindet daher Ablehnung, Strafe, Beschimpfungen viel heftiger, als ein erwachsener Mensch.
Wenn wir als Erwachsener Situationen erleben, die uns gefühlsmäßig betroffen, traurig oder Angst machen, verbinden wir immer unsere kindliche Erinnerung mit diesen Gefühlen. Durch diese Erinnerung erleben wir herausfordernde Situationen im Hier und Jetzt genauso intensiv und schmerzhaft, wie wir sie als Kind empfunden haben. Wir erleben sie sogar noch stärker, denn unsere unbewusste Angst - vor diesen unangenehmen, intensiven Emotionen - verstärken diese noch.
Wichtig ist zu erkennen, dass nicht das Gefühl schlecht oder negativ ist sondern es ist immer nur die an dieses Gefühl gekoppelte Erinnerung.
Wenn wir uns erlauben, ohne Erinnerungen zu fühlen, dann erleben wir selbst in einer heftigen Situation die Gefühle sogar als stärkend, aufbauend, öffnend und belebend.
Beantworten Sie bitte die folgenden Fragen. Sie geben Aufschluss darüber, wie es um Ihre Gefühlswelt steht.
Oder schon mal Vorblättern zur Kernbotschaft:
Der enorme Einfluss der Urverletzung auf unser Leben
Im nächsten Kapitel geht es um: Jeder erzeugt seine Emotionen selbst und ist deshalb selbst verantwortlich für seine Gefühle und Emotionen.
© 1993 "Die Illusion erwachsen zu sein" ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den persönlichen Gebrauch verwendet werden. Jede Form der Vervielfältigung, Vermietung, Aufführung oder Verbreitung ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Autorin Sylvia Reifegerste erlaubt.